Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man ununterbrochen Scherze machen über den Brexit. Oder sich freuen über eine britische Parlamentskultur, die so ganz anders ist als unsere eher kühlen Debatten. Oder sich William Shakespeare zurückwünschen, der daraus ein großartiges Drama gemacht hätte. Aber leider ist es ernst und inzwischen ist ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der EU Ende März, Ende April oder Ende Mai realistischer denn je.

Was würde ein ungeregelter Brexit denn eigentlich bedeuten, z.B. für uns in Niedersachsen? Rein rechnerisch zum Beispiel einen jährlichen Einkommensverlust von mehr als 100€ pro Kopf, wie die Bertelsmann-Stiftung vor eingen Tagen ermittelt hat. Großbritannien ist der zweitwichtigste Handelspartner für Niedersachsen und nach dem Brexit wird alles viel komplizierter als vorher und natürlich damit auch teurer. Ich habe mir ein Beispiel kürzlich in Cuxhaven anschauen können – einem wichtigen Hafen für Auto-Exporte auf die Insel und umgekehrt. Bis jetzt ist das gewissermaßen ein Inlandshandel, nach dem Brexit wird es eine Zoll-Angelegenheit, längere Wartezeiten inklusive. Um das wenigstens am Anfang zu vermeiden, stehen derzeit in Cuxhaven übrigens tausende aus Großbritannien stammende PKW, ähnlich viele warten auf die Überfahrt nach Großbritannien.

Richtig schlecht wird es für diejenigen niedersächsischen Hochseefischer, die in den britischen Hoheitsgewässern unterwegs sind. Von einem Tag auf den anderen würden sie ihre Fischereirechte verlieren. In der Fischindustrie sind also ganz konkret Arbeitsplätze bedroht.

Aber die wirtschaftlichen Folgen sind ja beileibe nicht alles.

Wie ist es eigentlich mit den Besuchen auf der Insel oder umgekehrt von dort aus nach Niedersachsen? Die unkomplizierten Flüge hin und zurück wären jedenfalls erst einmal vorbei, denn es braucht dann eine Einreisegenehmigung. Und bei einem Kurzbesuch sollte man besser gesund bleiben, denn der Krankenversicherungsschutz gilt dann wohl nicht mehr. Richtig klar ist das alles bis jetzt wohl nicht. Ich wollte eigentlich im Spätsommer in den schottischen Highlands ein paar Tage wandern und warte mit den weiteren Planungen jetzt lieber erst einmal ab.

Am schlimmsten trifft es aber die Briten auf dem Festland und die Europäer auf der Insel. Bis jetzt waren sie EU-Bürgerinnen und -Bürger, also weitgehend den jeweiligen Einheimischen gleichgestellt. Und künftig? Tja, dann sind sie eben allesamt Ausländerinnen und Ausländer mit allen damit verbundenen Unsicherheiten und komplizierten Verfahren. Für die Betroffenen hüben und drüben ist das ein herber Einschnitt. Viele Briten, die in Niedersachsen leben, überlegen gerade, ob sie nicht die Zeit bis zum EU-Austritt nutzen und die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen sollten. Noch geht das unter bestimmten Voraussetzungen und man kann es allen nur empfehlen, die dafür in Betracht kommen.

Gibt es wenigstens etwas auf der Haben-Seite? Sorry, Fehlanzeige – da ist nichts zu vermelden, der Brexit hat schlicht keine Vorteile.

Am Samstag haben in London eine halbe Million Briten für ein zweites Referendum demonstriert. Man kann ihnen in diesem allgemeinen Chaos nur viel, viel Erfolg wünschen. Der Brexit richtet nur Schaden an, am allermeisten übrigens in Großbritannien selbst. Die Menschen in Großbritannien sollten ihn schlichtweg auf den Müllhaufen der Geschichte werfen.

Ich wünsche Euch eine gute Woche!