Am Samstag ist 100. Geburtstag: Die Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung am 19. Januar 1919 waren die ersten freien und allgemeinen Wahlen überhaupt in Deutschland und zum ersten Mal waren auch Frauen wahlberechtigt. Beides waren keine Geschenke, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Kämpfe. Dieser 19. Januar ist also ein wirklich wichtiger Tag in unserer Geschichte und er ist auch ein sozialdemokratischer Festtag, denn am Ende war es die SPD, die die Wahlen und das Frauenwahlrecht durchgesetzt hat.

Und wie sieht es ein Jahrhundert später aus? Demokratische Wahlen sind in Deutschland längst etwas völlig Normales und auch das Frauenwahlrecht ist völlig selbstverständlich. So weit, so gut – aber damit ist die Gleichstellung der Geschlechter in der Politik noch längst nicht gesichert. Im Gegenteil, die Anteil von Frauen in den Parlamenten und den Kommunalvertretungen ist seit längerem rückläufig. Im Bundestag sind es derzeit gerade einmal 31 %, im Niedersächsischen Landtag etwas mehr als 27 % und auf der kommunalen Ebene in Niedersachsen sogar nur wenig mehr als 21 %. Ein trauriger Befund zum 100. Geburtstag des Frauenwahlrechts.

Das kann es nicht sein. Parlamente sind Volksvertretungen und dass mehr als die Hälfte dieses Volks nur als eine überschaubare Minderheit vertreten ist, darf auf Dauer so nicht bleiben. Denn natürlich hat die Zusammensetzung eines Parlaments auch Einfluss auf die Politik, die dort gemacht wird. Dass es beispielsweise Frauen noch mehr als Männer aufregt, wenn im Durchschnitt der Unterschied bei der Bezahlung von vergleichbarer Arbeit mehr als 20% beträgt, liegt auf der Hand.

Was also tun? Klar, als erstes sind die Parteien in der Verantwortung, Frauen vor Wahlen auf aussichtsreichen Plätzen aufzustellen. Aber allem guten Willen und vielen Sonntagsreden zum Trotz, das Ergebnis ist eben nicht ausreichend und deswegen gibt es unübersehbaren Handlungsbedarf. So war es auch in anderen Ländern und dort ist reagiert worden. Besonders bekannt ist die Parité-Gesetzgebung aus Frankreich. Für die unterschiedlichen politischen Ebenen gibt es unterschiedliche Vorgaben im Wahlrecht, die die Repräsentanz beider Geschlechter in den Volksvertretungen sicherstellen sollen. Zum Beispiel eine Tandem-Lösung: In den (dann größeren) Wahlkreisen stehen Teams mit je einer Frau und einem Mann zur Wahl.

Dieses oder ähnliche Modelle werden wir auch in Deutschland brauchen, wenn es voran gehen soll. In Niedersachsen wollen wir uns auf diesen Weg machen, das war ein Ergebnis der Jahresauftaktklausur der niedersächsischen SPD in der letzten Woche. Bis zum Ziel ist es sicher noch ein längerer Weg: Eine breite parteinterne Diskussion muss es geben, eine genaue verfassungsrechtliche Prüfung und die Untersuchung der verschiedenen denkbaren Modelle. Wahrscheinlich wird es auch nicht ohne politischen Streit abgehen, denn prompt haben CDU, F.D.P. und AfD zum Ausdruck gebracht, an dem status quo nichts ändern zu wollen.

Aber auch das zeigt der 100. Geburtstag des Frauenwahlrechts am Samstag – gesellschaftlicher und politischer Fortschritt muss nun einmal erkämpft werden.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.