In meiner Jugend Maienblüte gab es einen Asterix-Comic, in dem immer wieder ein ziemlich dekadenter Römer mit dem Ruf „Orgien, Orgien, wir wollen Orgien!“ auftauchte. Was er damit meinte, war ziemlich klar und dieses Bild hat wahrscheinlich meine Vorstellung von einer Orgie sehr geprägt. Da gibt es aber offenbar noch ganz andere Vorstellungen, zum Beispiel von „Lockerungsdiskussionsorgien“ – ein schönes Bild, das die Bundeskanzlerin in der letzten Woche erfunden hat und womit sie offenbar ‚die’ Länder kritisieren wollte. Niedersachsen kann damit nicht gemeint gewesen sein, jedenfalls habe ich von solchen Ausschweifungen in der norddeutschen Tiefebene noch nichts gehört. Aber auch sonst habe ich leise Zweifel an dieser Aussage.

Wie ist die Lage? Die Zahl der neu gemeldeten Infektionen ist weiter rückläufig und inzwischen deutlich niedriger als die der täglich Genesenen. Dementsprechend ist die Lage in den Krankenhäusern entspannt und Operationen, die in der Zwischenzeit verschoben werden mussten, können nun wieder nach und nach aufgenommen werden. Das ist alles nicht nur erfreulich, sondern auch bemerkenswert, denn gerade durch die Ostertage mit ihren vielen Kontakten waren neue Infektionen befürchtet worden, die nicht eingetreten sind. Offenbar sind die Bürgerinnen und Bürger sehr vernünftig und vorsichtig gewesen – herzlichen Dank dafür!

Anders stellt sich die Lage in sozialer und in wirtschaftlicher Hinsicht dar. Der Druck in den Familien etwa steigt spürbar an, viele Eltern wünschen sich sehnlich Unterstützung bei der Betreuung der Kinder, weil sie auch wieder beruflich mehr gefordert sind. Und was die Wirtschaft anbelangt, müssen wir aufpassen, dass dort nicht eine exponentielle Kurve beginnt mit irreperablen Schließungen und Insolvenzen.

Das ist der Hintergrund für die laufende Diskussion über Lockerungen und natürlich haben die „Warner“ ebenso wie die „Lockerer“ ihre guten Gründe. Es gibt keinen Grund zur Entwarnung, schließlich ist das Virus immer noch in Deutschland und kann uns wieder in große Probleme stürzen. Und andererseits wird sich unsere Gesellschaft nicht auf unbestimmte Zeit einfrieren lassen, denn auch das sorgt für unabsehbare Risiken.

Was ist dann der richtige Weg? Grundlage für Lockerungen müssen Spielräume beim Infektionsgeschehen sein und deswegen ist es richtig, schrittweise vorzugehen. Innerhalb der einzelnen Bereiche muss es dann ebenso stufenweise vorangehen, die allmähliche Öffnung der Schulen ist dafür ein gutes Beispiel. Dieses Vorgehen sollte für alle Bereiche gelten, denn Perspektiven sind überall nötig, nicht nur im Bildungswesen und im Handel.

Auf einer solchen nüchternen Grundlage erübrigen sich dann hoffentlich auch Zuspitzungen und Polarisierungen, die dem Problem an sich nicht gerecht werden, aber jede Menge Schaden anrichten können. Die Appelle an den Zusammenhalt in der Gesellschaft richten sich eben nicht nur an die Bürger. Als heute morgen Volkswagen die Produktion in Wolfsburg wieder begonnen hat , hatte ich auch eine kleine Diskussionsrunde mit Beschäftigten. Klare Botschaft: Ihr müsst Euch auch in der Politik einig sein!

Das ist jedenfalls die Position, mit der ich in die nächsten Gespräche zwischen Bundeskanzlerin und Länderchefs gehe. Am nächsten Donnerstag sind nicht die ganz großen Entscheidungen zu erwarten, weil die Daten zur Entwicklung des Infektionsgeschehens nach der Öffnung im Handel noch nicht verlässlich vorliegen. In der ersten Mai-Woche wird das dann anders sein und dann werden auch Fragen zu besprechen sein, die viele Menschen bewegen – Sport und Kultur, die Situation der Kinder, die Perspektiven von Gastronomie und Tourismus zum Beispiel.

Aber am wichtigsten ist und bleibt etwas anderes: Dass wir alle sehr vorsichtig sind bei unseren Kontakten. Abstand und Hygiene bleiben der Schlüssel zum Erfolg und sind für eine allmähliche Rückkehr zur Normalität!

Ich wünsche Euch eine gute Woche.