Seit Jahren versucht Viktor Orban als Premierminister Ungarn zu einer Autokratie umzubauen und auch andere Länder in der Europäischen Union haben Defizite in ihrer Rechtsstaatlichkeit. Die EU will hiergegen – unter anderem durch das Kürzen von Fördermitteln – vorgehen, doch ein tragbarer Kompromiss ist noch nicht in Sichtweite. Im Ringen um einen Rechtstaatsmechanismus hat das Europäische Parlament nun seinen Standpunkt klar gemacht.

„Wer ein großes Stück vom Kuchen haben will, muss sich an die Spielregeln halten. Wer sich nicht daran hält, bekommt keinen Kuchen“, fasst der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken die Position des Europäischen Parlament kurz und knapp zusammen. Wölken hat als Berichterstatter im Rechtsausschuss am Bericht zur Rechtsstaatlichkeit mitgearbeitet und freut sich, dass der Bericht nun angenommen wurde: „Ich habe in meiner Rede im Plenum noch einmal deutlich gemacht, wie ernst die Lage ist. Wir stehen hier vor einer echten Grundwerte-Krise in der Europäischen Union. Journalistinnen und Journalisten werden angegriffen, Korruption greift um sich und es gibt Länder mit LGBTQI-freien Zonen. Wir müssen hier Einhalt gebieten.“

Den Schlüssel dazu sehen die Abgeordneten in den Zahlungen aus Brüssel an die Mitgliedsstaaten, die derzeit verhandelt werden. Konkret geht es um den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU, in dem sich die Mitgliedsländer und das Europäische Parlament auf die grobe Budgetplanung für die nächsten sieben Jahre einigen. „Wenn wir in dieser Einigung keine Sanktionsmechanismen auf den Weg bringen, ist das Thema für die nächsten sieben Jahre vom Tisch“, macht Wölken die Brisanz deutlich. „Jeder Mitgliedsstaat hat ein Veto bei den Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen und auch wir als Parlament können das Verfahren mit einem Nein stoppen. Ich bin mir bewusst, dass hier viel auf dem Spiel steht: Es geht nämlich nicht nur um sehr viel Geld, sondern um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäische Union. Das sollten wir nicht aus Angst vor dem Konflikt mit Ungarn und Polen verspielen. Es ist den Bürgerinnen und Bürgern doch nicht zu vermitteln, dass sich Antidemokraten mit europäischem Geld die Taschen vollmachen.“

Der Vorschlag, der zurzeit auf dem Tisch liegt, überzeugt Wölken indes nicht. Hierin ist vorgesehen, dass nur dann Gelder gestrichen werden können, wenn Rechtsstaatlichkeitsverstöße zulasten des EU-Haushalts gehen. Folgenlos bliebe hingegen zum Beispiel der Umbau des Justizsystems. Außerdem sollen es hohe Hürden geben, um Sanktionen zu beschließen. Nur eine qualifizierte Mehrheit im Europäischen Rat kann das Verfahren in Gang setzen. „Das ist doch absurd: Wir haben die EU-Kommission als Hüterin der Verträge, also soll sie auch gefälligst so ein Verfahren starten können. Ich fände es besser, wenn wir zum Ausgangsvorschlag zurückkommen, dass die Staats- und Regierungschefs das Verfahren mit einer qualifizierten Mehrheit stoppen können“, erklärt Wölken. Und weiter: „Was nach einem kleinen Unterschied klingt, wird in der Praxis weitrechende Folgen haben. Der jetzige Vorschlag des Rates ist ein zahnloser Tiger.“